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  • Bernhard Krumpel und Ines Friedlmayer

Die Kommunikation der Europäischen Union im Schatten der Populisten


Nach dem Brexit und einer knapp verhinderten Marine Le Pen sollte die EU gezielt auf gute PR setzen - wenn nicht jetzt, wann dann?

Marine Le Pen konnte im Rennen um die französische Präsidentschaft in der Stichwahl durch den Sozialisten Emmanuel Macron verhindert werden. Die Frontfrau der Front National steht für den Inbegriff der rechtspopulistischen EU-Ablehnung, die immer größere Zustimmung in der Bevölkerung erfährt. Le Pen ließ vermehrt mit Sagern wie "Es ist an der Zeit, mit der EU Schluss zu machen. Wir müssen dieses bürokratische Monster abschaffen" aufhorchen. Auch sie wollte die Franzosen über den Austritt aus der Europäischen Union abstimmen lassen - der Einzug in die Stichwahhl um das Präsidentschaftamt lässt darauf schließen, dass sie damit den Nerv der Bevölkerung getroffen hat. Wenn man die Leute auf der Straße nach der Europäischen Union fragt, mokieren sie sich über die Richtlinie zur Bananenkrümmung - frei nach dem Motto: "Für mehr ist die EU ja sowieso nicht gut". Dass die EU für seine Bürger schon einiges geleistet hat, ist dem Großteil leider manchmal nicht bewusst. Als glühender Europäer fragt man sich daher: Wo bleibt die Erfolgs-Kommunikation der EU?

Zum 60. Jahrestag der EU-Gründung Mitte März brachte die EU-Kommission ein nettes Image-Video zum Thema "60 Erfolgsgeschichten in Europa" raus. Der Rat der Europäischen Union warb ebenfalls mit einem Video und dem Text „They say the EU is useless. We say they're wrong. Celebrate 60 years of European peace and progress with us on Saturday!” Auch das EU-Parlament zog nach und publizierte in Folge des Jahrestages ein Video über die Erfolgsgeschichte der EU. Gerade solche hübschen, leicht verdaulichen Videos über die EU gibt es leider viel zu wenig. Die Kommentare der Social Media-User auf den Seiten der europäischen Institutionen unter diesen Videos sprechen Bände – es hagelt mächtig Kritik, die EU-Bürger haben die Nase voll. Die, die sich näher mit der EU beschäftigen wissen aber: es gibt zwar großen Verbesserungsbedarf, aber ganz so schlecht ist alles dann doch nicht. Die Europäische Union ist vielleicht kein ganzheitliches Erfolgsprojekt, hat aber schon zahlreiche positive Entwicklungen in die Gänge gebracht - angefangen bei den "4 Freiheiten", die uns als EU-Bürgen eine Vielzahl von Rechten und Möglichkeiten einbringen. Das scheint aber bei vielen EU-Bürgern nicht anzukommen. Hätte die Europäische Union schon viel früher auf eine ausgeklügelte Kommunikationsstrategie setzen sollen? Wird eine Marie Le Pen die nächste Wahl nicht vielleicht doch gewinnen?

Der Bürger ist abhanden gekommen

Das Grundproblem entstand schon vorher. Die Proponenten der europäischen Union haben auf ihrem visionären Weg die Menschen verloren. Der Glaube, dass jeder Bürger die historische Dimension der paneuropäischen Idee schon mit der Geburt inhaliert, führte zu einer völlig falschen Lagebeurteilung. Wendeten Politiker wie der damalige französische Staatspräsident Mitterand und der deutsche Kanzler Kohl noch viel Zeit für Kommunikation auf, so scheint sich hier einiges gewandelt zu haben. Unvergesslich wie beide Hand in Hand in stillem Gedenken am Soldatenfriedhof in Verdun standen. Es war nur ein Bild, aber es war gleichzeitig eine starke proeuropäische Botschaft, die jeder Mensch verstand. Das war 1984. Heute, 33 Jahre später, baut sich ein anderes Bühnenbild in der Volksmeinung auf: Abgehobene Politiker mit völlig weltfremder Regelungswut forcieren ausschließlich länderspezifische Partikularinteressen. Wenn dann noch Zeit bleibt, werden die Wünsche von kaum Steuer zahlenden Großkonzernen willfährig erfüllt, während dem Mittelstand mittels kreativer Steuerlast das Joch auf den Nacken gelegt wird. TTIP wird geheim verhandelt und die Sanktionen gegen Russland kosten Europa Geld und Jobs.

Betrieben wird Podestkommunikation in ihrer reinsten Form. Botschaften wandern in Form einer Ein-Weg-Kommunikation hinab zu den Bürgern, der direkte Kontakt mit Menschen wird außerhalb der Brüsseler Zirkelrunde tunlichst vermieden. Zu einem Diskurs sind europäische Entscheidungsträger nicht bereit, die Kommunikation läuft nur über Pressemeldungen. Dabei gäbe es viel zu erklären und noch mehr klarzustellen. Gerade in der Konstellation der EU ist es überlebensnotwendig den Bürgern die Sinnhaftigkeit einer Partnerschaft trotz aller Unterschiedlichkeiten nahezubringen. Denn die Menschen Europas sind keine annähernd homogene Zielgruppe. Sie sprechen verschiedene Sprachen, sie haben teilweise völlig diametrale Erwartungshaltungen und Lebensphilosophien. Das bedeutet, solange diesen Menschen ihr persönlicher Vorteil nahegebracht werden kann, befürworten sie die Europäische Union. Wird diese Kommunikation vernachlässigt, dann entsteht Distanz und Grenzbalken beginnen sich wieder zu schließen. Zuerst im Kopf, dann an der Landesgrenze.

Junge nehmen Erfolge eher wahr

Wo aber liegen die Wurzeln des schlechten Image der EU? Die Schuld tragen leider oft die Nationalstaaten selbst – zu gern wird bei Misserfolgen mit dem Zeigefinger auf die EU gezeigt und jegliche Schuld „auf die da in Brüssel“ geschoben. Die EU sollte sich wehren – und dafür gute Meldungen besonders gut vermarkten. Die große Schwierigkeit der Union ist immer noch die Aufteilung in die vielen, verschiedenen Institutionen - auch in der Pressearbeit. Die EU-Institutionen besitzen alle eine eigene Pressebteilung - aufeinander abgestimmt wird kaum. Die große Frage bleibt: Warum kann man aber nicht auf eine gemeinsame PR-Strategie setzen? Zu kommuniziernde Erfolge gäbe es genug – die Jungen tendieren eher dazu, sie wahrzunehmen. Im letzten Eurobarometer gaben 64% der Jungen an, sich mit der EU zu identifizieren – bei der Generation vor 1946 waren es nur 46%. Das liegt auch sicher an erfolgreichen Mobilitätsprogramme wie Erasmus - junge Studierende spüren die Vorzüge der EU dadurch eher und verdanken es der EU, mehr von ihrem Europa sehen zu können.

Wie kann man auch die Skeptiker von der EU überzeugen? Mit authentischen Erfolgsstories, die über alle nur verfügbaren Kanäle kommuniziert werden. Zum Glück gibt es aber noch genug, die stolz auf Europa und seine Leistungen sind. Bei der Aktion "Puls of Europe" treffen sich jeden Sonntag Bürger in Großstädten in Deutschland, Frankreich oder Portugal, um ihre Stimme für Europa zu erheben. Auch hierzulade erhält die Aktion regen Zuspruch. Die Seite der Veranstalter stellt klar: „Überzeugte EuropäerInnen und DemokratInnen müssen jetzt positive Energie aussenden, die den aktuellen Tendenzen entgegenwirkt. Der europäische Pulsschlag soll allenthalben wieder spürbar werden!“ Man kann nur hoffen, dass die EU selbst bald aufwacht und ihre Kommunikation nach außen merklich überarbeitet. Lauter, sichtbarer und vor allem effektiver werden – für ein gemeinsames und erfolgreiches Europa.

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